Liebe Unterstützer:innen von Kidshelp Kamboscha e.V.,
der Jahreswechsel von 2020 auf 2021 hat bei Kidshelp manch Neues mit sich gebracht – und doch steht weiterhin vieles im Zeichen des Corona-Virus (in Kambodscha ausschließlich Covid19 genannt). Und besonders das hier nicht unwesentliche Chinesische Neujahr am 12. Februar 2021, mit dem nun das Jahr der Ratte geendet und das des Ochsen (manchmal auch des Büffels) begonnen hat, hat Kambodscha nach wenigen Tagen eine neue Coronakrise präsentiert.

Aber der Reihe nach:
Wie im jüngsten Newsletter bereits beschrieben, startete das neue Jahr für Kidshelp auch mit einem personellen Wechsel. Der bisherige Landesdirektor Michael Dohr wurde von Florian Linecker abgelöst. In Coronazeiten war dieser personelle Wechsel hinsichtlich der Einreise nach Kambodscha mit erhöhtem Aufwand bzw. mit sehr verschärften Auflagen verbunden – von Flügen auf Umwegen bis hin zu einer verpflichtenden Quarantäne in Phnom Penh.
Kambodscha schien bisher sehr verschont von der Pandemie geblieben – mit Ausnahme des wirtschaftlichen Einbruchs aufgrund der weltweiten Situation und besonders auch wegen der restriktiven Einreise, die de facto ausländischen Tourismus seit einem Jahr gestoppt hat. Michaels bisherige Blogs geben hierzu gute Einblicke.
Corona in Kambodscha
Verglichen mit anderen Ländern hatte Kambodscha jedenfalls beeindruckend wenige Coronafälle. Bis in den Februar lag die Gesamtzahl der positiv Getesteten noch bei unter 5oo Personen (!), von denen beinahe alle als genesen galten. Kein einziger Todesfall wurde mit dem Virus in Verbindung gebracht. (Update 11.03.2021: Heute wurde der erste Covid19-Todesfall in Kambodscha offiziell verkündet.)
Selbstverständlich ist das Ausmaß der Testungen sehr gering und das erklärt sicher auch die so geringen Zahlen. Nichtsdestotrotz ist Kambodscha in puncto Gesundheit bisher gut durch die Krise gekommen. Die Gründe hierfür werden wohl – wenn überhaupt – erst zu einem späteren Zeitpunkt geklärt sein. Aber es ist anzunehmen, wie so oft, dass viele Faktoren zusammenspielen.
Viele der Maßnahmen, die in europäischen Ländern eingeführt wurden, sind hier ohnehin üblich:
- Begrüßungen zwischen (selbst sehr eng befreundeten/verwandten) Menschen laufen meist ohne Händeschütteln, ohne Umarmungen und sowieso ohne Küsschen-Küsschen (als Österreicher muss es aber Bussi-Bussi heißen) ab;
- Mund- und Nasenschutz zu tragen war vielleicht vorher nicht ganz so üblich wie jetzt, aber in jedem Fall schon üblich, um eine andere Person z.B. nicht mit einem Schnupfen anzustecken.
- Das Klima hier sorgt dafür, dass sich beinahe das ganze Leben an der frischen Luft abspielt; besonders auch ein großer Teil der ländlichen Bevölkerung lebt in Häusern und Hütten, die, coronabedingt romantisch ausgedrückt, ständig von Frischluft durchzogen sind.
- Und ökologisch zwar sehr schade, aber in der Pandemie vermutlich von Vorteil – es gibt fast nur Individualverkehr, meist Motorräder (die wenigen öffentlichen Busse in Phnom Penh, die erst vor 2-3 Jahren eingeführt wurden, fahren seit Beginn der Pandemie nicht mehr).
- Zuletzt kommt noch dazu, dass ein Großteil der Bevölkerung, etwa zwei Drittel, unter 30 Jahre alt ist (was zumindest statistisch bei der Schwere der Infektionsverläufe relevant erscheint).
- Ach ja, und eben seit einem Jahr sind die Tore nach Kambodscha für Touristinnen und Touristen geschlossen. Alle Menschen, die dennoch einreisen dürfen (z.B. Diplomatinnen und Diplomaten, Geschäftsläute und ein neuer NGO-Mitarbeiter von Kidshelp) müssen verschiedene und eher strenge Auflagen erfüllen. Seit November 2020 wurden diese Auflagen noch einmal verschärft, was u.a. die bereits erwähnte verpflichtende Quarantäne von zwei Wochen beinhaltet. Seit Einführung dieser Maßnahme hat auch die kambodschanische Regierung (besonders das Gesundheitsministerium) die Kontrolle über die Organisation übernommen, die Unterkünfte waren von Reisenden nicht mehr selbst zu wählen, sondern wurden zugeteilt. Die Quarantäne, so auch in eigener Erfahrung erlebt, war streng beaufsichtigt mit 24/7-Bewachung des Eingangs durch Militär und Securities.

Der 20.-Februar-Vorfall
Umso erstaunlicher erscheint es nun, dass sich genau in diesem Quarantäne-Hotel in den Tagen vor dem 20.02.2021 vier Menschen bei einem Security-Mitarbeiter frei-bestechen konnten, um auszugehen. Am 20. Februar wurde jedenfalls eine Frau, die das Land verlassen wollte, positiv getestet und danach umgehend mehr als 30 ihrer Kontaktpersonen – alle in der Gegend von Koh-Pich in Phnom Penh. Als Quelle der Infektion wurden schlussendlich zwei der vier Menschen ausgeforscht, die sich mit Bestechungsgeld aus der Quarantäne freigekauft hatten und auch positiv getestet wurden. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass in hiesigen Zeitungen (online und Print) zwar ausführlich darüber berichtet wird, der Informationsgehalt allerdings nicht so ergiebig ist und, mit Verlaub, manche Darstellungen wohl mit Vorsicht zu genießen sind. Darum wird hier von weiteren Details über den Hergang des Ausbruchs abgesehen.
Aber: Weder in der Haut der positiv getesteten Quarantäner:innen noch in der Haut des bestochenen Securities möchte man/frau natürlich stecken, haben die drei doch nun offiziell den dritten großen Ausbruch in Kambodscha zu verantworten (und eine neue Gesetzgebung hinsichtlich der Verweisung des Landes nebenbei), mit Fallzahlen für hiesige Verhältnisse so hoch, nämlich schon mehr als verdoppelt.
Die Stimmung im Land ist dementsprechend angespannt, die Sorge groß. Und die Maßnahmen sind die bekannten. Nach sehr klein-regionalen Maßnahmen in den ersten Tagen, sind nun seit 23.02.2021 die Schulen, öffentlich und privat, in und um Phnom Penh geschlossen. Seit 05.03.2021 ist bekannt, dass diese Schließung nicht, wie ursprünglich geplant, zwei Wochen dauert, sondern nun endet, wenn der 20.-Februar-Vorfall endet. Also irgendwann.
Abgesehen von Schulschließungen sind noch andere Bereiche (z.B. Kinos und KTVs) betroffen (in derselben Region) sowie die Region und Stadt Sihanoukville, in die Privatpersonen nun nicht mehr einreisen dürfen bzw., wenn schon dort, dürfen sie nicht mehr ausreisen.

Und was bedeutet das für Kidshelp Kambodscha e.V.?
Diese Schließung betrifft unsere Englischschule wieder in vollem Ausmaß, sie ist ebenfalls seit 23.02.2021 vorerst für zwei Wochen, nun für unbestimmte Zeit geschlossen. Das betrifft die Arbeit des Vereins vor Ort erneut sehr stark; nicht nur ist der Schulbetrieb eingestellt, auch manch anstehende Projekte stehen vorübergehend still und die Arbeit rund um die Schulpatenschaften (Interviews mit neuen oder Update-Interviews mit bestehenden Patenkindern) ebenso.
Eine Anekdote: Aufgrund der bisherigen coronabedingten Schulschließungen konnten die Patenkinder länger keine personalisierten Schulhefte vorweisen, mit denen üblicherweise der Schulbesuch nachgewiesen wird – die Grundvoraussetzung also. Aber, eine Pandemie-Ausnahme natürlich, kein großes Drama oder eher – umso wichtiger, diese Stabilität der Patenschaften. Doch jetzt, im Januar, hatten wir schon ein strenges Auge darauf, wurden aber beschwichtigt von vielen Lehrerkräften selbst, die uns bestätigten, dass die Kinder tatsächlich noch immer keine Schulbücher erhalten haben (kann an den einzelnen Lehrkräften, die das noch nicht erledigt haben, oder auch an den Schulen liegen). Aber im Februar. Tatsächlich hatten im Februar schon viele Kinder die Schulbücher wieder dabei – und alles war ordentlich. Endlich. Bei vielen, aber noch nicht bei allen. Immer noch nicht erhalten. Gibt’s das? Ja, das gibt es wirklich. Und jetzt die nächste Schulschließung. Auf unbestimmte Zeit. Wir sind gespannt, die Augen bleiben scharf gestellt.
Nichts ist aufgehoben, aber alles derzeit (wieder) aufgeschoben. (Was wiederum Zeit gibt, einen Blog Beitrag zu verfassen.) Die Corona-Pandemie macht Planung schwierig, das ist wohl global bekannt; in Kambodscha kommt nun noch eine eher intransparente und sehr kurzfristige Kommunikation dazu. Spontaneität ist die Antwort.
Unsere Studenten und Studentinnen hingegen sind Corona bzw. die Auswirkung, also online zu studieren, mittlerweile gewöhnt. Das ist nun auch wieder der Fall. Das macht es nicht besser, aber eben auch nicht schlechter. Vielen fällt das Studieren online nicht schwer. Manche beschreiben es als einfacher. Aber das ist wohl eine Frage des Typs. Denn andere bezweifeln bzw. kritisieren das sinkende Niveau – alleine ob der fehlenden zwischenmenschlichen Interaktion.
Aus aktuellem Anlass eine kleine, sehr erfreuliche Anekdote: Es hat sich doch tatsächlich eine unserer Studentinnen im dritten Studienjahr, die nebenbei selbst Kinder und Jugendliche in Englisch unterrichtet, zugetraut, bei ihrer Uni eine Beschwerde einzureichen, da die Lehrenden teilweise so schlecht online unterrichten und z.B. keine Fragen von Studentinnen und Studenten mehr beantworten. Das ist insofern beeindruckend, als Kritik, speziell gesellschaftlich betrachtet, an „ehrwürdige“, übergeordnete Stellen und Personen gerichtet, hier so unüblich ist; mit dem Aspekt Gender wohl nochmal mehr. Umso mehr: wie toll – eine junge Frau und Lehrerin, die selbst sagt, dass sie ihre Schüler:innen ja auch nicht so behandeln würde und den Mut aufbringt, sich entsprechend zu äußern. Wir sind stolz.
Unsere jüngsten Stipendiatinnen und Stipendiaten konnten ja coronabedingt statt im September/Oktober 2020 auch erst im Januar 2021 ausgewählt und der Kidshelp-Öffentlichkeit vorgestellt werden. Sieben tolle junge Menschen, alle ganz unterschiedlich und alle mit so viel Potenzial. Ihnen wurde, wie allen Schülerinnen und Schülern ihrer Stufe, 2020 die Möglichkeit zum High-School-Abschluss-Examen (Abitur/Matura) quasi genommen, alle bestanden schlussendlich ohne Prüfung; das erschwerte die Auswahl für Kidshelp ein bisschen, vor allem aber verzögerte es das ganz Procedere. Auch an den Unis war alles verschoben und verzögert – von Aufnahmetests über offiziellen Semesterbeginn bis hin zu Abschlussprüfungen, manches online, anderes nicht. Eine der sieben wartet nun noch auf den Termin für die Aufnahmeprüfung im Studienfach Medizin – alle anderen haben nun bereits Gewissheit, sie sind entweder schon immatrikuliert und haben die erste Jahresgebühr bezahlt oder sie haben die Aufnahmeprüfung bestanden und warten nun auf weitere Infos oder sie haben die passende Uni gefunden, aber das Semester startet verspätet jetzt im März. Auch die Universitäten haben übrigens, und das ist in coronösen Zeiten besonders gut zu erkennen, bei aktueller und transparenter Kommunikation noch Entwicklungspotential.

Alle neuen Stipendiatinnen und Stipendiaten, die einen Platz in einem unserer Wohnheime (Dormitories) benötigen, haben einen solchen bereits erhalten. Die Wohnheime der Studentinnen haben neue Managerinnen (die immer aus den Reihen der Bewohnerinnen gewählt werden) seit diesem Monat – die gebührliche Verabschiedung der bisherigen Managerinnen ist coronabedingt leider auch verschoben worden.
Zum Bau der neuen, zweiten Englischschule sei an dieser Stelle nicht viel erwähnt; sei es coronabedingt oder aufgrund zusätzlicher Faktoren, jedenfalls hat sich die Planungsphase länger hingezogen als von uns angenommen. Wir freuen uns aber, zumindest sagen zu können, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis wir zu diesem Projekt neue Informationen veröffentlichen können.
Wie Sie sehen – es tut sich viel, auch wenn ein Teil dessen, was geschehen sollte, auf Eis liegt. Einige unserer Sponsorinnen und Sponsoren haben es direkt gemerkt, z.B. mit verzögerten Berichten über ihre Studentinnen und Studenten oder Schulkinder. Einige der jüngsten Verzögerungen mögen auch mit dem Übergang von Michael zu Florian zusammenhängen; aber wie viele von Ihnen wissen, hat die Pandemie in der Tat so viele externe Vorgänge verzögert, die außerhalb unseres Einflussbereichs liegen (wie z.B. Universitäten, die die Jahreszeugnisse an Studierende mehr als ein halbes Jahr später aushändigen, oder Prüfungen um Monate verzögern) sowie interne Vorgänge (wie z.B. Update-Berichte bei Patenkindern, die wir derzeit nicht besuchen können, oder Projekte und Kooperationen mit anderen NGOs, die verschoben werden müssen). Hoffen wir, dass die aktuellen Einschränkungen bald wieder aufgehoben werden können. Bei Fragen können Sie sich/könnt ihr euch gerne an uns wenden!
Mit herzlichen Grüßen aus Phnom Penh!
