Liebe Freunde und Unterstützer,
wie wir bereits in unserem gesonderten Newsletter über COVID-19 in Kambodscha berichtet haben, sind auch hier seit nunmehr zwei Wochen alle Schulen und Universitäten für mindestens einen Monat geschlossen. Ähnlich wie in Deutschland, bleiben die meisten Familien deshalb zu Hause und halten sich von Massenveranstaltungen fern. Diese wurden hier bisher noch nicht kategorisch abgesagt. Allerdings seien mittlerweile viele Feiern freiwillig verlegt worden und insgesamt seien viele dieser Events schlechter besucht. Das berichten uns unsere Lehrer und Mitarbeiter auf dem Land. Sie befinden sich derzeit, genau wie alle anderen, in der freiwilligen häuslichen Quarantäne. Ähnlich wie in Deutschland, versucht man nun Wege zu finden, wie man die Kinder weiter unterrichten kann. Es gibt Online-Kurse, die in Phnom Penh aufgezeichnet und live im Internet übertragen werden. Allerdings sind diese Kurse nur für die Schüler der zwölften Klassen. Sie sollen sich auf die Abiturprüfungen im August vorbereiten. In den ländlichen Gebieten haben allerdings einfach zu wenige Familien genügend Geräte, um einen solchen Livestream auch empfangen zu können. Arme Familien haben in der Regel maximal ein Smartphone, aber mehrere Kinder. Selbst wenn die Eltern das Telefon nicht brauchen würden, wäre dann immer noch die Frage, welches der Kinder das Telefon zum Lernen nutzen darf.
Die meisten Kambodschaner haben derzeit sowieso andere Sorgen. Diese sind finanzieller Natur. Die Pandemie und der damit verbundene Einbruch der Einkommen stellt ein Land ohne umfassendes Sozialsystem vor enorme Probleme. Viele Menschen arbeiten in informellen Arbeitsverhältnissen. Sie haben keine Arbeitsverträge oder sind selbstständig. Es wird nur dann Geld verdient wenn auch tatsächlich Arbeit anfällt. Die größten Sektoren hier sind die Landwirtschaft, der Bausektor, die Textilindustrie und die Tourismusbranche. Außer der Landwirtschaft sind all diese Sektoren schwer von der Pandemie betroffen. Touristen haben das Land verlassen, Bauprojekte stehen still oder werden ganz eingestellt und die Textilindustrie kämpft mit der verringerten Nachfrage aus Europa, den USA und China. In vielen Familien, die wir unterstützen, arbeiten die Frauen in den Textilfabriken und die Männer auf dem Bau oder im Tourismus (z.B. als Tuk Tuk Fahrer). Solche Familien haben derzeit ein extrem verringertes oder gar kein Einkommen mehr. Dennoch müssen sie weiterhin Kredite abbezahlen und die Grundversorgung der Familie gewährleisten. Für ein paar Wochen können die Menschen die Isolation sicher durchstehen. Für mehr reichen die Rücklagen wahrscheinlich nicht aus. Dann heißt es überspitzt gesagt „verhungern oder Geld verdienen“. Es würde vielen Menschen also verständlicherweise schwerfallen, sich an die Quarantäne zu halten. Wir wollen dieses Szenario nicht zu weit spinnen und hoffen, dass die Regierung und die internationale Gemeinschaft Mittel und Wege finden, um eine solche Situation zu vermeiden. Um aufzuzeigen, dass es derzeit nicht nur negative Entwicklungen gibt, geht es im Folgenden um den Fortschritt unseres zweiten Schulprojekts.
Ein positiver Nebeneffekt der Krise ist, dass unser Lehrer und zukünftiger Direktor unserer neuen Schule nun mehr Zeit für die Baustellenaufsicht hat. Tharith versorgt uns regelmäßig mit neuen Bildern und kurzen Nachrichten zum Stand der Arbeiten. Selbstverständlich sind wir auch um das Wohl der Bauarbeiter besorgt. Glücklicherweise liegt das Grundstück weit vom Markt entfernt. Der nächste Ort, an dem sich normalerweise viele Menschen versammeln, ist die in der Nähe befindliche Grundschule. Da diese derzeit geschlossen ist, die Arbeit an der frischen Luft stattfindet und es keine bekannten Fälle von COVID-19 in der Kommune gibt, schätzen wir das Risiko für die Arbeiter derzeit als nicht sehr hoch ein. Zusätzlich versorgen wir sie mit sauberem Trinkwasser und Seife. Weil schon relativ früh ein temporärer Wasserhahn von den Arbeitern installiert wurde, ist es ihnen möglich sich regelmäßig die Hände zu waschen. Sobald die Arbeiter selbst oder die Lokalverwaltung beschließen die Arbeiten zu pausieren, werden wir diesem Wunsch selbstverständlich entsprechen.
Doch wie weit sind die Arbeiten mittlerweile eigentlich? Nachdem die Baufirma einen anderen Auftrag erfolgreich beendet hatte, begannen ihre Mitarbeiter am 9. März damit das Grundstück zu bereinigen. Neben vereinzeltem Müll und Schutt ging es hierbei mehrheitlich um die Entfernung von Pflanzen und Palmen. Diese können wir aufgrund der Gefahr, die von fallenden Kokosnüssen ausgeht, leider nicht stehen lassen.
Nachdem das Grundstück bereinigt wurde, begannen die Vorbereitungen zur Errichtung der Außenmauer. Da diese Mauer hohem Druck standhalten muss, ist es wichtig ein ordentliches Fundament anzulegen. Zunächst werden Grundsteine gleichmäßig in den etwa 30 Zentimeter tiefen Gräben verteilt. Zusätzlich werden Stützpfeiler aus Metall in gleichmäßigen Abständen platziert und danach mit einer Mischung aus Sand, Beton und Wasser befestigt. Im nächsten Schritt erfolgt dann die Errichtung der eigentlichen Mauer aus Backsteinen.
Ihr fragt euch jetzt vielleicht, warum es überhaupt notwendig ist eine so massive Begrenzung zu bauen. Neben dem Schutz vor Zutritt durch Unbefugte hat die Mauer vor allem einen Zweck. Sie muss das Gewicht von etwa 140 LKW-Ladungen Erde halten. Das Grundstück muss nämlich begradigt und auf eine bestimmte, einheitliche Höhe aufgeschüttet werden. Letzteres ist notwendig, damit der Schulhof und das Gebäude in der Regenzeit nicht mit Wasser volllaufen. Bevor man auf dem so aufgeschütteten Boden bauen kann, muss er sich auf natürlich Weise für mindestens ein Jahr verdichten. Ohne bauliche Begrenzung durch eine Mauer, würde viel Erde durch den Monsunregen wieder weggeschwemmt.
Besonders aufmerksamen Unterstützern wird aufgefallen sein, dass im ersten Kostenvoranschlag noch von 70 LKW-Ladungen die Rede war. Die Baufirma hatte uns letzte Woche mitgeteilt, dass sie sich verschätzt haben, was die Absenkung des Grundstückes am hinteren Ende betrifft. Diese sei wesentlich größer als zu Beginn angenommen. Man bräuchte deshalb doppelt so viel Erdmaterial. Das ist ärgerlich, aber verständlich. Selbst Bauherren in Deutschland sind es gewohnt, dass sich die Kosten für ein Bauprojekt laufend ändern. Die Situation in Kambodscha ist noch einmal wesentlich flexibler als in Europa. Preise werden teilweise täglich neu angepasst. Da es keine großen, regulierten Baumärkte gibt, gibt es auch keine Preisgarantieren. Es gibt auch keine standardisierte Berufsausbildung. Man lernt von den Älteren direkt auf dem Bau. Es ist daher beeindruckend wie genau der Leiter unserer Baufirma die Kosten der Baumaterialien einschätzen kann. Und dennoch kommt es vor, dass er sich verschätzt. Einige Materialien waren letztlich auch günstiger als im ersten Kostenvoranschlag angenommen. Dennoch ist derzeit mit Mehrkosten von etwa 2000 USD zu rechnen. Wir müssen also zusätzliche Spenden generieren. Da sich die Kosten bis zur Fertigstellung dieser Bauphase jedoch in der Zukunft erneut ändern könnten, haben wir beschlossen die Mehrkosten zunächst vorzufinanzieren und erst dann Sponsoren zu suchen, wenn der genaue Fehlbetrag feststeht.
Es wäre natürlich trotzdem super, wenn ihr weiter fleißig Spenden für unser Schulprojekt sammelt. Auch ohne die zusätzlichen Kosten zu berücksichtigen, ist die aktuelle Projektphase noch nicht vollfinanziert. Wir bitten euch deshalb weiter direkt auf unser Konto oder bei Betterplace zu spenden und Werbung für uns zu machen. Viele Menschen, die sowieso am Existenzminimum leben, werden durch die aktuelle Corona-Krise noch ärmer. Kostenlose Bildungsangebote für ihre Kinder werden deshalb in Zukunft noch wichtiger, als sie es sowieso schon sind.
Wir melden uns spätestens nach Ende der ersten Bauphase mit weiteren Bildern und einem Update zu den Kosten.
Liebe Grüße aus Phnom Penh und Kandal,
Euer Kidshelp Team!